Metzer Zeitung am Abend – Mittwoch, den 17 März 1943
Wehrhaftigkeit und Wohnkultur Der Nordwind blies ganz stark einher - der Kaiser, er beeilt sich sehr - den Mönchen, die in Kutten liefen - taten vor Kält' die Nasen triefen - die Herren, die den Himmel tragen - konnten vor Kält' es kaum mehr wagen - der Kaiser lächelt stille da - als er sie so geschäftig sah! « So berichtet uns - frei übersetzt - die alte Metzer « Reimchronik ». In der Stadt nahm Karl V. Wohnung im Hotel der Witwe Philipps von Raigecourt, des Herrn von « Laidonchamps », eben jenes Schlosses Landenfeld. Elf Jahre später weilte der Kaiser nochmals vor Metz. Diesmal mit einem gewaltigen Heere. Er, selbst kam nicht wie 1542 hoch zu Roß geritten, er war krank, gichtbrüchig und müde. Die Franzosen hatten die Stadt besetzt, zur Verteidigung herrichten und ringsum alle Dörfer, Schlösser, Kirchen und Klöster verbrennen und niederreißen lassen. Auch Landenfeld stand nicht mehr. Und als die große Belagerung gescheitert war, zog der alternde, gebrochene Kaiser sich resigniert zurück in die Stille des spanischen Klosters. Schloß Landenfeld liegt in der Mosel-ebene, nördlich Metz, beim Dorfe Wappingen. Der Fluß hat das enge Tal südlich der Stadt verlassen und fließt breit und gemächlich einher. Nur auf der Frankreich zugewandten Seite erheben sich wie dunkle Zinnen die fortsgekrönten Kuppen bewaldeter Berge. Zur Mosel hin marschieren Pappelalleen auf, dehnen sich Wiesen und Aecker in üppiger Fruchtbarkeit, wie im Gottesgarten des Oberrheins, nur noch südlicher, fast milder. Auf den ersten Blick wirkt in diesem harmonischen Rhythmus der Landschaft des Walddickicht um Landenfeld wie ein Fremdkörper. Doch das bat Sinn undZweck. Der wildverwachsene Park ist ein rechteckig geplantes Ganzes. Nur einige Turmspitzen schauen vorwitzig aus dem Grün hoher alter Bäume. Das ist alles was der eilige Reisende auf Bahn und Landstraße bemerken wird. Dem Kenner des Landes wird allerdings die Baumallee auffallen müssen, die im Lothringer Land überall auf bauliche Merkwürdigkeiten anführt und den unter dem Laub dach einherschreitenden Besucher so wohlig umfängt. Er sieht am Ende des schattigen Halbdunkels, das schmiedeiserne Gitter der äußeren Schloßpforte, dahinter die Helle des sandigen Hofes und in der Wegachse das große Portal. Diese Blick folge ist er aus den Lothringischen Schlossanlagen gewöhnt. Landenfeld aber hat seine Merkwürdigkeiten. Die Allee überquert den äußeren Graben, durchbricht einen auf geschütteten Wall und überwölbt in einer zweiten Brücke den nächsten Graben. Jetzt sind wir erst im Hofe der Vorburg angelangt, und das die Blickrichtung der Allee abschließende Portal enthüllt sich als das architektonische ausgezeichnete Haupttor der Remisenanlage. Zur Seite fällt die Kapelle auf. Barock abgerundete Ecken binden die Fronten mit heute zerbrochenen Fenstern, und aus dem Giebeldreieck mit Stern, Wolken und Strahlenbündeln leuchtet der Name Gottes. Und erst nachdem wir über die zweite Brücke geschritten sind, erblicken wir der Kapelle gegenüber, durch einen breiten, dritten Graben vom Gutsbezirk getrennt, das eigentliche Sch1oß. Ein steinernes Geviert, mit vier runden Ecktürmen unter hohen, spitzen Helmen. Uber dem Gesims Schieferdächer, die hinaufführen, zu den Zinnen des Mittelbaues, mit wiederum vier Türmchen, die die Akzente der Grabentürme fortsetzen und vollenden. Aber immer noch haben wir keinen Zugang zum Corps de Logis. Seitlich müssen wir über eine dritte Brücke schreiten, wiederum ein Tor öffnen, eine in besseren Zeiten gestutzte Baumallee durchqueren. Endlich erst, gegen Norden, bietet sich die Haupt front dar. Wir sind überrascht : Die festungsartig herbe Strenge der Gesamtanlage hat sich hier abgewandelt. Die Untergeschosse zwischen den Ecktürmen schwingen zurück, die sonst einfachen Fensterrahmungen lösen sich spielerisch in Schlußsteine auf. Ein kleiner Ehrenhof entsteht, den eine Treppenanlage Ausfüllt - ländliches Rokoko! Der Mittelbau steht dreistöckig frei da - aber über der obersten Fensterreihe gewinnt er sein kriegerisches Aussehen wieder, wachsen Wehrgänge, Zinnen, Machicoulis, Ecktürme heraus. Beim näheren Zusehen, ein bizarres Uebereinander garnicht zueinander gehörender Stilelemente. Sch1oß Landenfeld ist nach der Katastrophe von 1552 bald wieder aufgebaut worden. In den barocken Umbau des 18. Jahrhunderts aus der Wehrburg zum Herrensitz sind offenbar die Türme miteinbezagen worden. Vielleicht mag das im benachbarten Dorfe Wappingen noch gut erhaltene « Alte Schloß » das Aussehen Landenfelds wiedergeben: Ein mächtiger Donjon innerhalb einer quadratischen Maueranlage mit vier Ecktürmen. In Landenfeld wäre dann der Hof ringsum überbaut worden. Aus der barocken Ummantelung ragt demnach heute noch das befestigte Spitzenwerk fremdartig hervor, aber doch harmonisch in das neue Ganze eingefügt. Einst vollendete das Gartenparterre zwischen den geschnittenen Alleen den herrschaftlich-vornehmen Anblick. Heute wachsen Gräser, Gestrüpp und allerlei, Gemüsesorten wirr auf Wegen und Beten Türe und Fenster sind meist verschlossen. Ladenflügel hängen herab, Scheiben sind zerbrochen. Die hohen Räume stehen leer und zerfallen. Mancherlei könnten die alten Mauern erzählen, von mittelalterlichen Rittern und reichen Patriziern, den Baudoche, Rhineck, Raigecourt, Gournay, Apremont, von den Lefèvre, die 1670 die Herrschaft erhielten, sich nach ihr de Ladonchamps nannten, und bis in die allerneueste Zeit das Schloß besaßen. Sie könnten uns auch berichten von jenem 7. Oktober 1870, da Landenfeld umkämpfter Schauplatz eines Ausfallsgefechtes der in Metz eingeschlossenen Rheinarmee Marschall Bazaines war. Aber auch die Eigenart lothringischen Bauschaffens und lothringischer Lebensform verkörpert uns Landenfeld recht augenfällig. Der dreifache Graben und der Wall hatten im 18. Jahrhundert natürlich keinen fortifikatorischen Wert mehr. Sie wurden zu gärtnerischer Spielerei. Zur gewollten Abschließung nach außen erfüllten sie jedoch mehr als ihren Zweck. Die von der sonstigen Gewohnheit abweichende Linienführung der Hauptallee auf ein Neben-gebäude dient ebenfalls dieser Absicht. Erst nach Durchlaufen dieser Vorstufen, gelangt der Besucher über die letzte Brücke ins Boskett vor den Schloßeingang. Hier erst ist die höchste bauliche Steigerung erreicht. Sie ist bis zu Sch1uß aufgespart, nur für den Gast berechnet, der auch wirklich Zugang ins Herrschaftshaus erhalten soll. Eine Wirkung auf größere Entfernungen. Repräsentation nach außen, ist bewußt vermieden. Der Kern der Anlage, der hohe Mittelbau, zeigt wenigstens in seinen oberen Teilen noch wehrhafttrutzigen Charakter, also gerade in jenen Spitzen und Zinnen, die allein aus dem Grün der Laubkronen herausragen, die allein jedem den Schloßbewohnern gleichgültigen Passanten sichtbar sind. In dieser beabsichtigten Abstufung und Konzentrierung baulicher Schönheiten auf die intime Sphäre zeigt sich die Eigenart des Lothringertums. Das Schöne will hier gesucht sein.
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